Wenn Zulieferer und mittelständische Logistikdienstleister JIS-Fähigkeiten aufbauen, erschließen sie sich damit eine attraktive Nische und werden für OEMs zu wichtigen Partnern! Worauf es dabei ankommt, haben wir in unserem Blog-Artikel zusammengefasst.
Von den mehr als 10.000 einzelnen Teilen, aus denen ein durchschnittliches Auto (mit Verbrennungsmotor) besteht, beziehen die Hersteller die überwiegende Mehrheit von spezialisierten Tier-1-Lieferanten. Die Fertigungstiefe der meisten OEM liegt heute lediglich bei etwa 30 Prozent. Mit der Strategie, ihre Lieferanten intensiv einzubinden, waren die Hersteller in den zurückliegenden Jahrzehnten ziemlich erfolgreich. Sie konnten sich damit nicht nur voll auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und gleichzeitig von der Leistungsfähigkeit anderer profitieren. Sie konnten auch ihre Kosten senken, indem sie durch Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Konzepte die Lagerhaltung immer weiter reduzierten.
Aktuell gerät das Modell allerdings etwas ins Wanken. Zunächst im Zuge der Corona-Pandemie und dann bedingt durch den Krieg in der Ukraine sind die bislang sehr verlässlichen globalen Lieferketten erheblich unzuverlässiger geworden. Mit der Folge, dass die Produktion hier und da deutlich beeinträchtigt wurde. Das wird für die OEM zunehmend zum Problem – auch wenn sie die Risiken von verspäteten oder ausbleibenden Lieferungen vielfach an ihre Tier-1-Lieferanten ausgelagert haben.
Aktuell steht deshalb das Thema Supply-Chain-Resilienz bei vielen Verantwortlichen sehr weit oben auf der Agenda. Um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken, könnten die Hersteller zum Beispiel die Fertigungstiefe wieder erhöhen und sich damit unabhängiger machen. Eine andere Möglichkeit wäre, Teile in den Lagern vorzuhalten, statt sie direkt ans Band liefern zu lassen. Dass es dazu kommt, halten wir aber für unwahrscheinlich. Denn in einem globalen Wettbewerb, dürften die mit gut gefüllten Lagern einhergehenden Kosten nur in Ausnahmen kompensierbar sein. Was wir bereits sehr deutlich erkennen, ist eine Verschiebungen in der Einkaufsstrategie: Neben dem Preis und der Qualität eines Produkts rückt die Prozessqualität – insbesondere die Liefertreue – als Entscheidungsfaktor immer mehr in den Fokus.
Als Folge daraus werden die OEM ihre Multi-Sourcing-Strategien weiter verbessern und künftig noch genauer überlegen, mit welchen Lieferanten sie zusammenarbeiten – und mit ihnen dann strategische Partnerschaften vereinbaren. Der Nachweis der Lieferfähigkeit – insbesondere der JIT- und der JIS-Fähigkeit –, wird dabei eine noch größere Rolle spielen, als das heute schon der Fall ist. Aus der Perspektive der Zulieferer heißt das: Wer davon überzeugen kann, dass er auch in einer volatilen Welt verlässlich liefert, verschafft sich einen immensen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern. Je anspruchsvoller die Anforderungen an die Lieferung werden, desto kleiner und attraktiver wird die Nische.
Welche Kompetenzen Lieferanten sinnvollerweise aufbauen, hängt natürlich zunächst davon ab, für welches Supply-Chain-Konzept sich die von ihnen gefertigte Teile eignen. Bei einfach aufgebauten Teilen gibt es kaum Unterschiede, weshalb eine Lieferung in der korrekten Reihenfolge keinen Vorteil bedeutet. Bei komplexen Modulen wie Achsen, Armaturen und Sitzen sieht das ganz anders aus. Hier verlangen die OEM eine JIS-Lieferung. Einzelne Zulieferer können sich dann durch Details differenzieren. Beispielsweise damit, wie schnell sie an einem neuen Standort startklar sind.
Dass JIS-Lieferungen ein lukratives Business sein können, erkennen seit ein paar Jahren auch immer mehr Logistikdienstleister. Sie haben zwar nicht das Engineering- und das Produktions-Know-how der Zulieferer. Dafür verfügen sie über die erforderliche Infrastruktur und beherrschen die eigentlichen logistischen Prozesse hervorragend. So sind sie sehr leicht in der Lage, Lieferungen aus dem Lager zu kommissionieren und dann zu transportieren. Mit ein wenig Qualifikation der Mitarbeitenden, können sie außerdem einfachere Montagearbeiten übernehmen.
Mit dem Aufbau von JIS-Kompetenzen haben Logistiker die attraktive Chance, sich zum Tier-1-Lieferanten weiterzuentwickeln. Das Ergebnis einer solchen Ausweitung des Geschäftsmodells sind eine stärkere Kundenbindung und höhere Margen.