Automobilindustrie - Eine Branche zwischen Boom und Wandel

Die Automobilbranche ist im Umbruch – und das nicht erst seit der Corona-Krise.

Automobilindustrie - Eine Branche zwischen Boom und Wandel

Die Automobilbranche ist im Umbruch – und das nicht erst seit der Corona-Krise: In wichtigen Absatzmärkten geht die Nachfrage zurück, die ersten OEMs und Zulieferer nutzen Kurzarbeit und passen ihre Kapazitäten an. Gleichzeitig müssen sie die Transformation von Verbrennungsmotoren zu alternativen Antrieben stemmen und die Digitalisierung gestalten. Wettbewerbsfähig bleibt, wer sich risikobereit zeigt und neue Wege geht.

Die deutsche Automobilindustrie ist erfolgsverwöhnt. Und auch in einer schwierigen Situation, etwa im Zusammenhang mit der Feinstaubdebatte und Kartellvorwürfen rund um den Diesel, brechen die Unternehmen immer wieder Rekorde. Beispielsweise produzierten 2018 deutsche Hersteller circa 16,3 Millionen PKW – mehr als jemals zuvor. Insgesamt wurden mit dem Export von Kraftwagen und Kraftwagenteilen 229,7 Milliarden Euro erwirtschaftete. Das macht Fahrzeuge zum achten Mal in Folge zum größten deutschen Exportfaktor. Größter Abnehmer im Ausland sind trotz des Abgasskandals und angekündigter Strafzölle nach wie vor die USA. Doch nicht nur im Ausland sind Volkswagen, Mercedes, und BMW weiterhin beliebt. Die Neuzulassungen von PKW in Deutschland sind – auch dank des SUV-Booms – auf einem konstanten Niveau, bei den Nutzfahrzeugen gibt es sogar eine steigende Tendenz.

Ein interessantes Detail, das häufig etwas zu kurz kommt: Einen wesentlichen Anteil am Rekordumsatz haben die Zulieferer – sie verzeichnen 2018 ein Plus von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch wie nachhaltig ist der Erfolg in Zeiten von Digitalisierung, E-Mobilität und einem schwieriger werdenden Marktumfeld?

Aufbruchstimmung und Skepsis wechseln sich ab

Die Transformation der Automobilindustrie ist im vollen Gange. Ließ sich Carl Benz 1886 den ersten PKW mit Verbrennungsmotor patentieren, wird die automobile Zukunft von Elektromobilität und autonomem Fahren bestimmt. Mercedes hat das Ende des Verbrenners bereits fest terminiert: Bis 2039 soll die Flotte komplett auf CO2-neutrale Elektroautos und Plug-in-Hybrid-Modelle umgestellt sein. Und schon in den kommenden Jahren will der Hersteller ausschließlich CO2-frei produzieren. Mit dem Wandel der Fahrzeuge muss auch ein Wandel der Rahmenbedingungen einhergehen. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) soll der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Förderung regenerativen Energien sowie neuer Technologien die Hersteller und Zulieferer rund zwanzig Milliarden Euro kosten. Die Summe klingt angesichts des aktuellen Gesamtumsatzes von 424,8 Milliarden Euro und einer hohen Beschäftigung einigermaßen überschaubar. Doch zeigt sich immer wieder, wie volatil es in der Automobilindustrie zugeht: So sank der Kurs der Tesla-Aktie im Frühjahr 2020 auf unter 100 Euro – die Fabrik in Shanghai musste aufgrund des Coronavirus kurzfristig geschlossen werden. Das war der größte Verlust an der Börse seit acht Jahren. Mittlerweile ist die „Gigafactory 3“ wieder am Laufen, die Auslieferungen des neuen Elektro-SUV Model Y haben bereits begonnen. Langfristig geplant ist die Produktion von 500.000 E-Autos und bis zu 10.000 Ladestationen pro Jahr an dem Standort. Und die Aktie ist derweil ordentlich gestiegen – auf über 700 Euro.

Tatsächlich meldeten zuletzt 10 der 16 weltweit größten Autobauer Gewinnrückgänge: durch schwächelnde Verkaufszahlen in wichtigen Absatzmärkten wie China und Großbritannien – hier verunsichern nach wie vor Handelskrieg und Brexit die Autoindustrie –, starken Preisdruck und rückläufige Margen. Weil die Absatzrückgänge für viele unerwartet kamen und optimistisch geplant wurde, bestehen nun Überkapazitäten. Frisches Kapital zu erhalten, könnte bei der negativen Marktlage schwierig werden – auch die Banken scheuen das Risiko. Neben enormen konjunkturellen Problemen kämpfen Unternehmen mit den Nachwehen veränderten rechtlichen Vorgaben: Beispielsweise wurde 2017 das weltweit gültige Verfahren bei Verbrauchs- und Abgastests nahe am realen Fahrgeschehen, WLTP; eingeführt.

Offenheit und Innovationen: Erfolgsfaktor für die Zukunft

Diese Veränderungen in der Autoindustrie spüren die Zulieferer ganz besonders. Zwar sind die OEMs zunächst mit den neuen Anforderungen und Herausforderungen konfrontiert. Sie können die konkreten Konsequenzen aber häufig an ihre Zulieferer weitergeben – wenn sich das nicht ohnehin aufgrund der etablierten Aufgabenverteilung ergibt. So stehen beispielsweise sämtliche Zulieferer unter enormen Druck, die Teile für Verbrennungsmotoren fertigen. Schließlich sinkt die Nachfrage für ihre Produkte sukzessive. Auch bei Teilen, die in Elektroautos verbaut werden – von der Achse über die Lüftung bis zum Sitz – nimmt der Druck der Hersteller zu. Das kann sich darin ausdrücken, dass Zulieferer schon früher in die Entwicklung eingebunden werden, individualisierbare Produkte anbieten müssen oder noch flexibler liefern sollen.

All das bedeutet aber auch eine Chance: Denn wer in der Lage ist, die Erwartungen der Hersteller optimal zu erfüllen, kann seine Position nicht nur festigen, sondern sogar ausbauen. Voraussetzung dafür ist, das eigene Geschäftsmodell und die Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen on offen für Innovationen zu sein.

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